Anklamer Stadtmuseum

Die Geschichte des Museum im Steintor

Bild: W. Godow: Anklamer Hafen

In Folge eines gestiegenen National- und Geschichtsbewusstseins der bürgerlichen Gesellschaft Ausgang des 19. Jahrhunderts kam es in Deutschland zu einer Gründungswelle von Heimat- und Geschichtsvereinen sowie Heimatmuseen und Heimatstuben. Aufgabe und Ziel der Vereine und Museen war, das Bewahren, Sammeln und Erhalten von Zeugnissen der Regionalgeschichte, der Volks- und Naturkunde, die lokalgeschichtliche Forschung sowie die Denkmalpflege.
Auch in Anklam gab es bereits um 1900 Bestrebungen, ein Heimatmuseum zu gründen. Aktivitäten gingen hier aber von Einzelpersönlichkeiten der Lehrerschaft aus, die über die Kreis- und Provinzgrenzen hinaus bekannt und Mitglied in überregionalen historischen Gesellschaften waren. Besonders Gymnasiallehrer und Begründer des Heimatkalenders Prof. Max Sander (1853-1924 ) bemühte sich jahrzehntelang um die Einrichtung eines Museums. Schon frühzeitig begann er, historische Gegenstände zu sammeln. Er warb für ein Museum und beriet den Magistrat beim Ankauf von historischen Sammlungen und Gegenständen. Neben Prof. Sander haben sich auch die Gymnasiallehrer Prof. Dr. Johannes Weygard Brunier (1867-1939 ) und Rektor Otto Bollnow um das Heimatmuseum verdient gemacht. Alle drei sind auch bekannt durch zahlreiche historische Schriften, auf die noch heute die regionale Geschichtsforschung aufbaut.
Der eigentliche Grundstock zum Museum wurde 1907 mit dem Ankauf der historischen Sammlung des Anklamer Bankiers Rösler durch den Magistrat der Stadt gelegt. Weitere Ankäufe durch die Stadt folgten. Bereits damals tauchte die Idee auf, das Museum im Steintor unterzubringen, die fehlenden Finanzen verhinderten jedoch dieses Vorhaben. Erst als 1925 die Präparandenanstalt in der Leipziger Allee aufgelöst wurde, fand sich ein geeigneter Raum. Der Magistrat stellte die Aula des Gebäudes dem zugründenden Museum zur Verfügung. Die Gestaltung der ersten ständigen Ausstellung erfolgte unter Mithilfe von Dr. Kunkel vom pommerschen Provinzialmuseum in Stettin. Die erste Ausstellung öffnete am 30. Juni 1927.
Da aber bereits in den Anfangsjahren die Bestände des Museums weitaus größer waren, als die Ausstellungsfläche, zeigte man einmal im Monat bei Sonderausstellungen Dinge aus Archiv und Depot. Gleich nach der Eröffnung des Museums wurde zu dessen Verwaltung unter Beteiligung des Kreises und der Stadt eine Museumsdeputation gewählt. Ihr gehörten der Kämmerer Bartelt, Studienrat Prof. Dr. Brunier und Rektor Bollnow an.
Das Überstehen der Kriegsjahre verdankt das Museum vor allem dem unermüdlichen Wirken von Lehrer Hermann Scheel (1885-1968 ). Er sorgte dafür, dass die Bestände zusammenblieben und rettete so manches historische Zeugnis vor dem Verlust.
Nach dem Krieg gab es zunächst keine ständige Ausstellung mehr. Die Bestände des Museums waren in Räumen des Kreisgerichtes und der Käthe-Kollwitz-Schule eingelagert. Erst 1959 wurde ein Raum für eine neue ständige Ausstellung am Neuen Markt zur Verfügung gestellt.
1972 kaufte die Stadt das Haus in der Ellbogenstraße 1 und übergab dem Museum die obere Etage. Mit dem ersten Kosmosflug eines Deutschen 1978 kam der Zufall dem Museum zur Hilfe. Anlässlich des Besuches der Kosmonauten in Anklam, die sich die Geburtsstadt Otto Lilienthals ansehen wollten, erhielt das Museum neue Räumlichkeiten und eine eigenständige Lilienthalausstellung. Zugleich war dies der Auftakt für eine Neuprofilierung des Museums. Durch Dr. Michael Waßermann wurden beide Bereiche, die Heimatgeschichte und die Lilienthalforschung, zur Selbständigkeit geführt und räumlich voneinander getrennt.
1986-1989 wurde das Steintor unter Leitung des damaligen Kreisdenkmalpflegers und Museumsdirektors Werner Morgenstern zum regionalgeschichtlichen Museum umgebaut. Durch den Umzug der heimatgeschichtlichen Abteilungen ins Steintor, wurde nicht nur ein alter Traum der Anklamer verwirklicht, es gelang auch, den Charakter einer Heimatstube abzulegen.
Im rekonstruierten Haus in der Ellbogenstraße öffnete schließlich 1991 die Lilienthalabteilung als eigenständiges Otto-Lilienthal-Museum.
Das rekonstruierte Backsteintor ist heute zu einer Begegnungs-, Informations- und Kommunikationsstätte geworden. Neben der Heimatpflege und der ständigen Ausstellung zur Stadt- und Regionalgeschichte werden zahlreiche Sonderausstellungen der Kunst, Natur und Volkskunde den Besuchern angeboten. In den fünf Etagen des Steintores zeugen heute in den ständigen Ausstellungen Musealien aus der: Ur- und Frühgeschichte, Slawenzeit, Hanse, Schweden- und Preußenzeit und jüngeren Geschichte 1933 - 1949, von der wechselvollen Geschichte der Stadt und Region. Vorträge, Ausstellungsgespräche und kleine Konzerte gehören ebenso zum Veranstaltungsprogramm wie museumspädagogische Angebote und thematische Sonderführungen.
Die umfangreichen Bestände der Pommernbibliothek werden ständig erweitert und sind Interessierten nach Voranmeldung zugänglich. Im Sommer 1992 erfolgte erstmalig die Gründung eines historischen Vereins für Anklam und Umgebung, der gleichzeitig Förderverein des Museum im Steintor ist.

Das Steintor

Seit Jahrhunderten bildet das Steintor das Wahrzeichen der Stadt Anklam. Bereits 1404 das erste Mal im Stadtbuch erwähnt, war es vermutlich das erste aus Steinen erbaute Stadttor Anklams. Es bildete lange Zeit den Eingang zur alten und einst mächtigen Hansestadt Anklam.
Dieses 32 m hohe Tor aus der Backsteingotik ist das einzig erhalten gebliebene von insgesamt 6 Stadttoren der mittelalterlichen Befestigungsanlage Anklams. Es wurde vermutlich schon um 1250 angelegt und war ursprünglich nur halb so hoch. Um 1450 stockte man es auf seine jetzige Höhe auf. Aussparungen im Mauerwerk im oberen Bereich sowie dessen schlichte Gestaltung lassen vermuten, dass es ursprünglich einen hölzernen Wehrgang besaß. Mit Aufkommen der Feuerwaffen veranlasste 1570 der Magistrat der Stadt den Bau eines Vortores. Im Dreißigjährigen Krieg 1634, wurden vor der Stadtmauer Raveline aufgeschüttet und mit Kanonen bestückt. Im Verlauf des Siebenjährigen Kriegs wurden 1759 alle Wehranlagen geschleift.
Das verschont gebliebene Steintor wurde fortan bis um 1900 durch den Einbau massiver Zellen als Stadtgefängnis benutzt. Im dazugehörigen Hof, dem heutigen Museumsvorhof, fand 1853 die letzte Hinrichtung statt.
Das nahezu 100 Jahre ungenutzte Torhaus wurde ab 1986 mit erheblichem denkmalpflegerischem Aufwand zum Museum ausgebaut und 1989 erstmals für die Besucher geöffnet.

Artikel zur Baugeschichte von Herman Scheel, Heimatkalender 1937